Lichen-Serie, Teil 1 / Lichen sclerosus – Prof. Dr. Werner Mendling
Der historische aus dem Griechischen stammende Begriff „Lichen“ bedeutet „Flechte“. Im Alltagsjargon wird oft unscharf von „Lichen“ gesprochen, ohne dass zwischen Lichen(L.) sclerosus, L. planus und L. simplex unterschieden wird. Mit drei Beiträgen zum Thema Lichen (L. planus und L. simplex werden in nachfolgenden FRAUENARZT-Ausgaben publiziert) sollen diese für die einzelne Patientin quälenden und langfristig die Lebensqualität beeinträchtigen den Erkrankungen vorgestellt werden.
Da in der gynäkologischen Weiterbildung das Erlernen der Diagnostik und Therapie von Hauterkrankungen nicht vorgesehen ist und umgekehrt in der dermatologischen Praxis bei Vulvaproblemen oft auf die frauenärztliche Praxis verwiesen wird, sind benigne Vulvaerkrankungen zum Leid wesen der betroffenen Frauen auch heute noch oft im dermatologisch-gynäkologischen Niemandsland (23).
Einzelne Publikationen aus der interdisziplinären dermatologisch-gynäkologischen Praxis lassen die Bedeutung dieser Erkrankungen erahnen (1), insbesondere aber die in den letzten Jahren entstandenen und rasch wachsenden Interessenvereine betroffener Frauen (Verein Lichen sclerosus in der Schweiz mit Mitgliedern in der Schweiz, Deutschland und Österreich, Verein Lichen sclerosus Deutschland e. V.). Leider sind noch viele Betroffene aufgrund der Unerfahrenheit ihrer Ärztinnen und Ärzte monate- bis jahrelang nicht korrekt vorsorgt (Abb. 1), sodass die irreversiblen Veränderungen fortschreiten.
Einzelne Publikationen aus der interdisziplinären dermatologisch-gynäkologischen Praxis lassen die Bedeutung dieser Erkrankungen erahnen (1), insbesondere aber die in den letzten Jahren entstandenen und rasch wachsenden Interessenvereine betroffener Frauen (Verein Lichen sclerosus in der Schweiz mit Mitgliedern in der Schweiz, Deutschland und Österreich, Verein Lichen sclerosus Deutschland e. V.). Leider sind noch viele Betroffene aufgrund der Unerfahrenheit ihrer Ärztinnen und Ärzte monate- bis jahrelang nicht korrekt vorsorgt (Abb. 1), sodass die irreversiblen Veränderungen fortschreiten.
In bis zu 34 % kommen bei Erwachsenen und in bis zu 14 % bei Mädchen andere Autoimmunerkrankungen und Allergien vor (z. B. Hashimoto-Thyreoiditis, Vitiligo, Typ-1-Diabetes mellitus, Alopecia areata, perniziöse Anämie u. a.). Die familiäre Häufung lässt eine genetische Disposition vermuten.
Es scheint ein hormoneller Einfluss möglich zu sein (wenig Estrogen), da es eine Häufung um die Peri- und Postmenopause gibt, ebenso beim Turner- Syndrom trotz Hormonsubstitution.
Lichen sclerosus kann durch lokale Traumen (Stanzbiopsie, Risse, Inkontinenz, Druck, Reibung, Verletzung, Radiatio, auch psychische Traumen, Vulvodynie), getriggert werden, sodass dort ein Schub mit verstärkten Symptomen möglich ist (Köbner-Phänomen) (14, 17, 18, 19).
Genitale Infektionen scheinen nicht ursächlich zu sein, doch wird diskutiert, ob eine intestinale und vulväre Dysbiose der Mikrobiota eine Rolle spielen könnte. Wir haben in einer Mikrobiomstudie in Zusammenarbeit mit Prof. Jacques Ravel, Baltimore/USA, keine Unterschiede im Vergleich zu gesunden Frauen und Frauen mit Vulvodynie finden können, andere vermuten doch einen Zusammenhang (4).
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Symptome
Die erkrankte Hautregion der Vulva ist der nicht behaarte Bereich zwischen außen den großen Labien, vorn der Hautregion der Klitorisvorhaut (nicht der Klitorisspitze selbst) bis zur vorderen Haar- grenze zum Mons pubis hin und hinten kann, muss aber nicht, der Perinalbereich im Umkreis von etwa 4–5 cm be- troffen sein (Form einer „8“). Das Vestibulum ist oft im vorderen Anteil zwischen Klitorisspitze und Harnröhre betroffen. Der Sulcus interlabialis und die kleinen Labien bis im hinteren Anteil zur Hart’schen Linie sind meist betroffen. Typisch involviert ist meistens auch die hintere Kommissur mit dem Damm.
Die Frauen klagen typischerweise über Juckreiz (aber nicht immer, bis 40 % sollen keinen Juckreiz haben!), Wundheitsgefühl, Missempfindungen beim Verkehr (durch Unelastizität und zunehmende Enge), bei perianaler Beteiligung auch über Schmerzen oder Einrisse im Analbereich bei der Defäkation oder beim Sitzen. Es gibt aber auch Frauen mit sichtbaren Hautveränderungen ohne Beschwerden.
Viele Frauen mit L. sclerosus der Vulva klagen über Beschwerden beim Wasser- lassen: Der Harnstrahl ist nicht mehr kräftig und gerade, es gibt bei der Miktion Missempfindungen wie Urethritis (5).
Klinische Zeichen
Immer treten im Lauf der Jahre unter- schiedlich schnell Schrumpfungen auf: Die kleinen Labien verkürzen sich nach und nach und können später komplett mit der Umgebung im Bereich des Sulcus interlabialis flach verschmolzen sein. Durch Atrophie entstehen Einblutungen (Ekchymosen) und Wunden (Abb. 3 und 4). Die Vorhaut der Klitoris schrumpft und wird unelastisch, sodass die Klitoris- spitze mehr und mehr darunter verschwindet, ähnlich einer Kapuze auf dem Kopf, die so weit zugezogen wird, dass schließlich selbst die Nasenspitze verschwindet. Gerade dies wird von Unerfahrenen oft übersehen, wenn nicht bewusst die Klitorisvorhaut bei der Untersuchung zurückgezogen wird, und kann ein wichtiges Frühzeichen sein (Abb. 5 und 6, Seite 826). Weitere Zeichen sind Atrophie der Haut (auch Hypertrophie mit Hyperkeratose) mit leichtem Erythem und Vulnerabilität, was zu kleinen Erosionen und anogenitalen Fissuren führen kann. Eine Purpura/Ekchymosen sind typisch, ob- wohl meist auch blass-weißliche sklerotische Haut vorkommt, die pergament- artig dünn gefältelt wirkt (Abb. 3 und 4). Die Vulvaarchitektur ist im fortgeschrittenen Stadium stark gestört, sodass neben der Resorption der kleinen Labien sowohl vorn zwischen Klitoris und Ure- thra als auch hinten an der hinteren Kommissur zunehmende narbige Einengungen entstehen. Dadurch kann Geschlechtsverkehr unmöglich werden oder auch der Harnstrahl so behindert sein, dass der Urin gegen einen „Vorhang“ prallt und darunter aus der verbliebenen Öffnung abläuft (Abb. 7 und 8, S. 826). Die Verengung kann leicht in Lokalanästhesie eröffnet werden (Abb. 9, S. 826). Selten kommt Lichen sclerosus auch in der Leistenregion vor (Abb. 10, S. 826).