Erste Empfehlungen zu der Thematik wurden bereits vor etwa 18 Jahren publiziert (7). Mittlerweile gibt es neue Entwicklungen in Diagnostik und Therapie, sodass eine aktualisierte Fassung nötig erscheint.
Jede geschlechtsreife Frau hat mehr oder weniger Fluor (Ausfluss). Erstmals wird ein Mädchen zu Beginn der Pubertät im Alter von etwa 10–12 Jahren ein Jahr vor der ersten Menstruation mit dem „Weißfluss“ konfrontiert. Frauen, die keine Ovulationshemmer einnehmen, erleben in Zyklusmitte vermehrten klaren, „spinnbaren“ Ausfluss durch Verflüssigung des zervikalen Schleims, denn der pH-Wert des Zervixschleims liegt – wie bei Sperma – bei 7, was ein Beitrag zur möglichst optimalen Befruchtungschance ist.
Diese physiologischen Phänomene sind auch vielen erwachsenen Frauen nicht ausreichend bekannt und führen gelegentlich zu verunsicherten Arztbesuchen. Ansonsten gesunde Frauen können auch etwas verstärkten Fluor haben, ohne erkrankt zu sein. Fluor setzt sich aus exfoliierten Epithelzellen, Eiweiß und Flüssigkeiten aus Zervix und Vagina aufgrund vaginaler physiologischer Transsudation, entzündlicher oder inflammatorischer Exsudation, partieller Rückresorption im unteren Vaginaldrittel und zervikaler sowie vestibulärer (Hyper-)Sekretion zusammen. Die normale Fluormenge wird mit etwa 5 ml/Tag angegeben.
Fluor der Vagina riecht nicht unangenehm, hat eine weißliche Farbe und einen pH-Wert von 3,8 bis 4,4, sofern die Patientin prämenopausal ist. Vor der Menarche und nach der Menopause liegt der pH-Wert über 5. Die Empfindung über „normal“, „wenig“ oder „zu viel“ Fluor unterliegt subjektiven Einflüssen der Frau. Außerdem ist Fluor normalerweise nur in der östrogenisierten Scheide in gewissem Ausmaß vorhanden, also nicht beim Mädchen unter 9 Jahren und nicht bei der Frau einige Jahre nach der Menopause ohne Hormonsubstitution. Somit ist Fluor ein normales Phänomen und im Fall von Pathologie ein Symptom, das immer im Zusammenhang mit Beschwerden und Krankheitszeichen beurteilt werden muss. Bei der Anamnese ist nicht die Frage zu stellen: „Haben Sie Ausfluss?“, sondern: „Haben Sie ungewöhnlichen Ausfluss?“
Diagnostisches Vorgehen bei Angabe von abnormalem Fluor
Schon die Inspektion der Vulva und des Vestibulums sollte mit dem Kolposkop erfolgen, um z. B. dezente Hautveränderungen im Bereich der äußeren Vulva oder Inflammationszeichen im Bereich des Vestibulums zu erkennen. Dann erst erfolgt die Spekulumeinstellung von Scheide und Portio (s. Tab. 1), möglichst ohne Gleitmittel, da diese die Diagnostik mit dem Nativpräparat oder bakteriologische Untersuchungen beeinträchtigen können.
Keinesfalls wird gleich die Portio visuell angesteuert, denn es könnte sonst eine Rötung oder pathologische Veränderung der Scheidenwand übersehen werden (Kolpitis bei Candidose, Trichomoniasis, aerober Vaginitis, Lichen planus, Dysplasie usw.). Dann erfolgt zuerst der pH-Test aus vaginalem Fluor aus dem mittleren Scheidendrittel, der leicht mit dem Spekulum vorgeholt werden kann. Der normale pH-Wert beträgt 3,8 bis 4,4.
Das Nativpräparat ist essenziell! Es gehört auch im Zeitalter der molekularbiologischen Tests zum gynäkologischen Alltag und ist die den kulturellen und nicht-kulturellen Methoden bei der Beurteilung „normale“ oder „abnormale Scheidenflora“ überlegene und in allen nationalen und internationalen Leitlinien empfohlene Methode (11, 18, 20). Es sollte bei 400-facher Vergrößerung phasenkontrastmikroskopisch betrachtet werden, weil mit dieser Technik eine plastische und optimale Beurteilungsmöglichkeit besteht. Üblicherweise wird empfohlen, das Nativpräparat zur Fluordiagnostik mit 0,9%-iger Kochsalzlösung anzulegen.
Dazu wird ein Tropfen dieser Lösung auf einen Objektträger gegeben, dann mit dem Spekulum direkt (bevorzugte eigene Methode) oder mit einem Tupfer/einer Öse usw. (aus eigener Sicht umständlich, Material verbrauchend und weiteren Abfall verursachend) ein wenig des Fluors auf den Tropfen gegeben, dann das Deckglas aufgelegt und mikroskopisch beurteilt (nachdem die gynäkologische Untersuchung beendet ist und die Patientin sich anzieht).
Es gibt diverse Lösungs- oder Färbemethoden.In der Frauenheilkunde sind neben NaCl 0,9%-Lösung für das Nativpräparat Kalilauge (KOH) 10– 15 % und Methylenblau 0,1%-Lösung am bekanntesten. Methylenblau-Lösung färbt Bakterien- und Pilzzellwände dunkelblau an. Das wird von manchen Untersuchern geschätzt. Geübte Untersucher brauchen das aber nicht für eine qualifizierte Beurteilung, da das Phasenkontrastverfahren durch seine optischen Besonderheiten eine exzellente Differenzierung erlaubt. Zudem ist Methylenblau toxisch: Trichomonaden werden – falls vorhanden – abgetötet und entgehen eventuell der Diagnostik.
Nach der Entnahme des Nativpräparats wird die Zervix betrachtet. Da das Kolposkop bereits für die Betrachtung des Vestibulums in Gebrauch ist, kann es gleich weiter benutzt werden. Hiermit ist nicht die spezielle Differenzialkolposkopie im Hinblick auf dysplastische Läsionen und HPV-Infektionen gemeint, die mit Essigsäure und/oder Lugol’scher Lösung erfolgt und ein ganz anderes Ziel als die infektiologische Diagnostik hat. Deshalb erfolgt auch (jetzt) keine Essigprobe! Sie würde bei z. B. Vulvodynie schweres Brennen ohne diagnostischen Wert erzeugen und bei der Infektionsdiagnostik die Abstriche negativ beeinträchtigen. […]